Thomas Hagemann und Johannes Plehn über die Komplexität des Versands – und wie man den Herausforderungen begegnet.
Warum ist die „letzte Meile“ so ein zentrales Thema für den E-Commerce?
Johannes Plehn: Weil der E-Commerce immer komplexer wird und sich genau diese Komplexität auf der letzten Meile widerspiegelt. Etwas verallgemeinert, haben wir es mit zwei Typen von Händlern zu tun: Zum einen sind das Versender, die über eine sehr starke Marke und ein entsprechendes Markenerlebnis hohe Kundenloyalität aufbauen wollen. Beispiele hierfür sind Zalando oder Foodspring.
Die zweite Gruppe sind Händler, bei denen die Brand eine untergeordnete Rolle spielt, oftmals, weil der Verkauf an den Kunden ausschließlich über Plattformen erfolgt. Für die Kaufentscheidung des Kunden ist nicht die Marke entscheidend, er sucht einfach ein bestimmtes Produkt, beispielsweise eine Handyhülle. Entsprechend spielt für den Händler in erster Linie der Preis für die Versandleistung die zentrale Rolle und nicht so sehr der Service.
Natürlich lässt sich der Handel nicht so schwarz-weiß darstellen, das heißt: Der Service auf der letzten Meile muss auf die Strategie des Händlers abgestimmt sein. Je stärker das Unternehmen den Kunden langfristig an sich binden will, desto mehr sollte auch in hohe Servicequalität und kurze Laufzeiten im Versand investiert werden.
Wie sieht das in der Praxis aus?
Johannes Plehn: Die Zusteller von Paketen unterscheiden sich in ihrem Service teilweise stark. Das spiegelt sich in unterschiedlichen Laufzeiten wider, in der Anzahl der Zustellversuche, aber auch in der Uhrzeit, zu welcher die Zustellversuche erfolgen.
Außerdem haben die Zusteller oft ganz unterschiedliche Anzahlen von sogenannten PUDOs (Pick-up & Drop-off Points). An solchen Stationen können Sendungen bequem abgeholt, vor allem aber auch Retouren aufgegeben werden.
Wenn ich als Händler meinem Kunden ein einzigartiges Versanderlebnis ermöglichen möchte, macht es Sinn, unterschiedliche Zusteller in der jeweiligen Region anzubinden und somit für jede Art von Kundenbedürfnis, sei es eine möglichst schnelle Lieferung oder die Lieferung an einen PUDO, den Spezialisten anbieten zu können.
Ein erfolgreiches Versanderlebnis wird den Kunden nicht nur in Hinblick auf das Produkt zufriedenstellen, sondern ihn auch langfristig an den Shop binden.
Für den Händler aber, der in großen Mengen Handyhüllen vertreibt, genügt es unter Umständen, einen Carrier zu beauftragen, der ausreichend schnell und günstig liefert und das Päckchen beim Nachbarn abgibt, falls der Kunde nicht zu Hause ist.
Und das wird auch dem Kunden vollkommen ausreichen – und selbst, wenn nicht: Seine Handyhülle wird er beim nächsten Mal ohnehin wahrscheinlich ganz woanders bestellen.
Welche Innovationen auf der letzten Meile bringen diese Entwicklungen mit sich?
Thomas Hagemann: Eine neuere und wohl anhaltende Entwicklung ist das Aufkommen innovativer Service-Dienstleister auf der letzten Meile. Der schwedische Lieferdienst Budbee hat sich auf die Same-Day- und Zeitfensterzustellung spezialisiert. Er arbeitet mit einem Kuriernetzwerk zusammen und vermittelt Kurierdienste auf der letzten Meile an Händler.
Ein anderes Beispiel ist das niederländische Start-up Picnic. Beim Food-Delivery-Unternehmen können die mit Nahrungsmitteln belieferten Kunden schon heute dem Zusteller Retouren mitgeben. Der Ansatz von Picnic ist ein perfektes Beispiel dafür, wie sich Start-ups zum einen durch den innovativen Einsatz von Daten und Technologie im Bereich der Transport- und Routenplanung und zum anderen durch die Verknüpfung unterschiedlicher Dienstleistungen auf der letzten Meile etablieren können.
Und die klassischen Lieferdienste, wie DHL etc. – wie reagieren die?
Johannes Plehn: Die großen Carrier können oftmals mit dem starken Wachstum des E-Commerce nicht mithalten. Ihr Problem ist, dass sie in den letzten Jahren unzulänglich in die Infrastruktur investiert haben. Sie sind nicht dazu in der Lage, die ständig steigenden Anforderungen – wie wachsende Paketmengen, Wünsche nach Pick-up-und Drop-off-Möglichkeiten, zeitfenstergenaue Zustellung – zu erfüllen. Aus Kundensicht reagieren sie absurderweise gerade jetzt mit Preiserhöhungen.
Welche Bestrebungen gibt es seitens großer Unternehmen, etwa Amazon, auf der letzten Meile mit eigenen Assets ihre Pakete auszuliefern?
Thomas Hagemann: Derzeit gibt es unter den größten Händlern und Plattformen in Europa und den USA nur eine Handvoll Player, die mit ihrem eigenen Paketvolumen mit den Lieferdiensten auf der letzten Meile ernsthaft in Wettbewerb treten können.
Der Grund dafür ist, dass keiner von ihnen in allen europäischen Ländern stark ist. Amazon etwa ist in den Niederlanden kein substanzieller Händler, ebenso wenig in der Schweiz. Und auf der letzten Meile ist Amazon beispielsweise nicht in ganz Österreich aktiv, sondern aktuell nur in Wien, und auch hier gibt es viel Bewegung.
Um mit eigenen Assets und Angestellten in die Zustellung zu gehen, sind sehr hohe Volumen notwendig. Ob sich Amazon auf der letzten Meile auch für andere Händler öffnet und Pakete in die Zustellung mit aufnimmt, bleibt abzuwarten.
Im Sinne eines regen Wettbewerbs, der generell immer ein guter Innovationstreiber ist, könnte dies aus Sicht der Händler befürwortet werden. Einen gegenteiligen Trend kann man bei Otto beobachten, hier wird der Verkauf der Tochter Hermes für Ende 2019 erwartet – es bleibt spannend im europäischen Carrier-Markt.
In jedem Fall sollten Händler auf der letzten Meile gut performen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Auf welche Weise unterstützt ihr sie dabei?
Johannes Plehn: Wir liefern Lösungen, die der Vielfalt des Marktes und vor allem den Kundenanforderungen gerecht werden. Die Frage ist immer: Welcher Carrier oder welcher Carrier-Mix ist der beste für deine spezifische Anforderung in dem jeweiligen Land oder sogar in der jeweiligen Region eines Landes?
Hier bieten wir die jeweilige Lösung. Der zweite wichtige Punkt: Wir managen für den Händler die Komplexität aus dem Prozess heraus. Für den Händler kommt alles aus einer Hand. Wir machen aus hundert Schnittstellen eine einzige. Die One-Stop-Solution von Seven Senders ist ein optimaler Enabler, Innovationen auf der letzten Meile in Europa zu implementieren und den Konsumenten anzubieten.
Thomas Hagemann: Ein Markt, in dem aktuell regelmäßig neue Innovationen entstehen und der vom globalen Wettbewerb getrieben ist, bleibt für Händler sehr herausfordernd. Sie müssen sich diesem Thema stellen, um erfolgreich zu sein.
Der Schlüssel ist Technologie. Sie sorgt richtig eingesetzt für Transparenz und ermöglicht vor allem die Erschließung der besten Lieferservices in jedem Land – ein für Händler unermesslicher Schatz. Denn der Versand muss heute so an den Zielmarkt angepasst sein, dass Händler beim Kunden den gleichen Eindruck hinterlassen wie die lokalen Marktführer – und genau das machen wir möglich.