Ob B2B oder B2C – der E-Commerce innerhalb Europas und der Europäischen Union (EU) sowie mit außereuropäischen Online-Shops nimmt seit Jahren zu, zuletzt massiv befördert durch die Corona-Pandemie. Doch für Shopbetreiber, Carrier und Verbraucher galten komplizierte Mehrwertsteuerregeln, die in der EU zuletzt 1993 aktualisiert wurden. Mit der um 1. Juli 2021 in Kraft getretenen neuen Value Added Tax (VAT = Mehrwertsteuer) der EU soll der grenzüberschreitende Handel vereinfacht werden.
Was sieht das VAT-E-Commerce-Digitalpaket vor?
28 Jahre nach dem letzten Update der VAT in der EU hat die Gemeinschaft zum 1. Juli 2021 ein Paket an Mehrwertsteuer-Neuregelungen für den E-Commerce erlassen, welches die VAT an das E-Commerce-Zeitalter anpasst. Erklärtes Ziel dabei: Der grenzüberschreitende Business-to-Consumer (B2C) E-Commerce soll durch einheitliche Mehrwertsteuerregeln und digitale Tools einfacherer und betrugssicherer werden.
Parallel verschafft die neue Mehrwertsteuer den EU-Mitgliedsstaaten bis zu sieben Milliarden Euro höhere Steuereinnahmen, wie die Gemeinschaft betont. Mit der Neuregelung verändern sich Mehrwertsteuerpflichten und deren Handling für die gesamte Lieferkette des Online-Handels mit Waren, die aus dem Ausland in EU-Mitgliedsstaaten verkauft werden. Online-Händler und -Marktplätze sowie ihre Partner entlang der Lieferkette müssen daher ihre Mehrwertsteueranforderungen und ihr -handling überarbeiten.
Was ändert sich mit dem neuen VAT-E-Commerce-Digitalpaket?
Seit dem 1. Juli gilt mit der neuen VAT für E-Commerce die Mehrwertsteuerpflicht für alle Online-Händler gleichermaßen. Egal, an welchem Standort innerhalb oder außerhalb der EU sie sitzen und welchen Wert ihre in die EU verschickte Sendung hat.
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Die EU hat die bisherigen innerhalb der EU unterschiedlichen Schwellenwerte für den Fernabsatz von Waren abgeschafft und einen EU-weiten einheitlichen Schwellenwert von 10.000 Euro eingeführt.
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Importiert ein Online-Händler in einen Mitgliedsstaat der EU insgesamt Waren – egal ob elektronische Dienstleistungen oder physische Produkte – von mehr als 10.000 Euro pro Jahr, muss er in diesem Land die dort gültigen Mehrwertsteuersätze abführen.
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Durch die Einführung des neuen One Stop Shop (OSS) wurde der Mini One Stop Shop (MOSS) erweitert.
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Die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung für geringwertige Güter von bis 22 Euro wurde abgeschafft und der Import One Stop Shop (IOSS) eingeführt.
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Online-Marktplätze werden als Verkäufer angesehen und sind zur Erhebung und Meldung der Umsatzsteuer verpflichtet.
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Es werden neue Anforderungen zur Aufbewahrung von Unterlagen für Online-Marktplätze eingeführt, die die Lieferung von Waren und Dienstleistungen ermöglichen.
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Es gibt Sonderregelung zur Vereinfachung der Einfuhr von Waren mit einem Wert von weniger als 150 € für den Fall, dass das IOSS (Import One Stop Shop) nicht genutzt wird.
Wen betreffen die Änderungen der Mehrwertsteuer?
Neuregelungen betreffen die gesamte Lieferkette des Online-Handels mit Waren, die aus dem Ausland in EU-Mitgliedsstaaten importiert werden:
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Das neue VAT-Paket der EU wirkt sich auf alle Online-Händler aus, die über ihre eigenen Websites oder über Marktplätze Waren in die EU verkaufen.
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Online-Marktplätze wie Ebay, Amazon oder AliExpress sind in vielen Fällen statt ihrer Verkäufer für die Erhebung, Meldung und Abführung von Mehrwertsteuern verpflichtet.
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Auf Carrier kommen ebenfalls neue Aufgaben zu. Sie müssen alle Produkte für die Zollabfertigung prüfen und oftmals die jeweilige Mehrwertsteuer für Sendung aus den Nicht-EU-Staaten von den Empfängern in der EU einziehen. Dafür braucht es neue Systeme oder Aktualisieren bereits bestehender Systeme.
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Selbst für in der EU ansässige Verbraucher, die aus dem Ausland Waren erwerben, bringt es Veränderungen mit sich. Bereits beim Bestellvorgang müssen Käufer seit dem 1. Juli 2021 über die im Verkaufspreis enthaltene Mehrwertsteuer informiert werden. Zusätzlich müssen diese Informationen in jeder Rechnung ausgewiesen werden. Die Mehrwertsteuer wird direkt an den EU-Mitgliedsstaat des Verbrauchers entrichtet, wobei Carrier diese teils direkt beim Käufer einziehen.
Was ist der One Stop Shop (OSS) und wie funktioniert er?
Online-Shops und Marktplattformen, die ihren Firmensitz in einem EU-Mitgliedsstaat haben, können sich seit dem 1. Juli im OSS – einer Erweiterung des 2019 von der EU eingeführten Plattform Mini One Stop Shop für elektronische Dienstleistungen – in ihrer Landessprache auf dem OSS registrieren lassen. Diese Registrierung gilt für alle EU-Mitgliedsstaaten, sodass bisherige Einzelregistrierungen für die Mehrwertsteuer in den 27 Mitgliedsstaaten entfallen. Über dieses elektronische Portal werde, so die EU, die Mehrwertsteuer pro Unternehmen für alle in die EU-Mitgliedstaaten eingeführten Waren und Dienstleistungen berechnet, ausgewiesen und an den jeweiligen Mitgliedsstaat vierteljährlich abgeführt.
Was ist der Import One Stop Shop (IOSS) und wie funktioniert er?
Der IOSS wurde für E-Commerce-Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern aufgesetzt, die ihre Waren in ein EU-Land versenden oder die Waren von Verkäufern aus der EU aus der Ferne in die EU importieren. Auch hier gilt: Jedes dieser Unternehmen kann mit seiner Registrierung auf dem Portal für alle 27 Mitgliedsstaaten die jeweils fällige und geltende Mehrwertsteuer berechnen, anmelden und abführen, anstatt den Käufer die Mehrwertsteuer zum Zeitpunkt der Einfuhr der Waren bezahlen zu lassen.
Der IOSS deckt allerdings nur den Verkauf von Waren ab, die zum Zeitpunkt des Verkaufs von außerhalb der EU versandt oder transportiert werden und einen Warensendungswert bis zur Zollfreigrenze von 150 Euro enthält. Zudem dürfen die Waren nicht Gegenstand von Verbrauchssteuern sein, die im Regelfall auf Alkohol oder Tabakprodukte erhoben werden.
Für jede Sendung aus einem Drittland ist eine elektronische Zollerklärung notwendig. Ab einem Schwellenwert von 150 Euro pro in die EU eingeführter Sendung fallen für E-Commerce-Händler aus Drittländern wie bisher die im jeweiligen EU-Mitgliedsstaat gültigen Zollgebühren an, wie der Zoll informiert. E-Commerce-Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern, die nicht im IOSS registriert sind, können die Zollerklärung und das Handling der Gebühren über die ausliefernden Carrier realisieren lassen.
Wie funktioniert das VAT-Handling ohne IOSS-Registrierung?
Da die Nutzung des IOSS nicht verpflichtend ist, gibt es eine Sonderregelung für E-Commerce-Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern, die sich nicht im IOSS registrieren wollen: Bei Fernverkäufen von importierten Waren in Sendungen, die 150 EUR nicht überschreiten, können laut EU sogenannte Vermittler die Registrierung auf dem Portal und damit das Handling der Mehrwertsteuer übernehmen. Als IOSS-Vermittler können die jeweiligen ausliefernden Carrier auftreten. Sie sammeln das Mehrwertsteueraufkommen pro Monat pro Verkäufer und führen die Zahlungen im Folgemonat an den betreffenden EU-Mitgliedsstaat ab.
Reibungsloser Lieferprozess dank richtigem Carrier-Mix
Einheitliche Besteuerung für EU- und Nicht-EU-Onlineshops, gleiche Schwellenwerte in allen EU-Ländern sowie digitale Plattformen schaffen klarere Strukturen und neue Tools für einen grenzüberschreitenden Handel im Digitalzeitalter. Trotz Vereinheitlichung von Werten und einer Vereinfachung der Prozesse, bleibt der grenzüberschreitende E-Commerce für einzelne Akteure auf dem europäischen Markt nicht ohne Komplikationen. Carriern kommt eine noch größere Bedeutung zu – nicht zuletzt über ihre neue mögliche Vermittlerrolle im IOSS-Portal.
Die Delivery Plattform Seven Senders realisiert gemeinsam mit ihren Carrier-Partnern einen reibungslosen Lieferprozess unter Berücksichtigung aller Neuregelungen für E-Commerce-Unternehmen aus EU- und Nicht-EU-Mitgliedsstaaten. Für letztere sind vor allem die Seven Senders-Partner in den Niederlanden und Belgien von großem Interesse, da hier die meisten B2C-Waren aus den USA und Asien per Luftfracht eintreffen.